"Braune Schatten" - Ein Abend zwischen Propaganda und Protest

Ich bin ehrlich erleichtert. Und sehr dankbar. Dass dieses Format funktioniert hat – das war nicht selbstverständlich. Es war ein Versuch. Ein Wagnis. Eine Einladung zum Hinsehen.
Am Abend des Weltfriedenstags haben wir in Herzberg drei historische Propagandafilme gezeigt – aus den Jahren 1934, 1935 und 1936. Entstanden im Elsterland: Herzberg, Jessen, Falkenberg. Inszenierte Aufmärsche, geschnittene Realitäten, politische Bilder mit klarer Absicht. Doch wie zeigt man so etwas heute – ohne zu belehren, ohne zu bagatellisieren?
Wie durchdringt man das, was im Bild sichtbar ist, ohne das Unsichtbare zu verschweigen?
Wir, mein Co-Pilot Christian Poser und ich, haben es versucht. Mit drei Stimmen. Drei fiktive Zeitzeugen erzählen, beobachten, erinnern: Ein protestierender Pfarrer, eine ironisch-wache Bäuerin, eine jüdische Tochter mit klarem Blick auf das, was kommt. Die Texte sind erfunden – aber auf gesicherten Quellen gebaut. Die Stimmen sind imaginär – aber könnten so gesprochen worden sein.

Begleitet wurden sie von Sebastian Pöschl am Flügel, der mit leisen Tönen und klug gesetzten Akzenten Räume öffnete für das, was zwischen den Bildern liegt. Ich selbst durfte die Filme einordnen – sachlich, historisch, klar. Als Gegengewicht. Als Einladung zum Weiterdenken.
Es war ein Parforceritt. Emotional. Herausfordernd. Bewegend – auf allen Seiten. Über 160 Gäste kamen – aus dem ganzen Landkreis, sogar aus Jessen und Potsdam. Darunter viele, die sich intensiv mit Regionalgeschichte beschäftigen: Der langjährige Rundschauredakteur Lothar Günther, Ortschronist Dennis Weiner aus Jessen, Ralf Uschner – geistiger Dreh- und Angelpunkt des Marionettentheatermuseums Bad Liebenwerda. Und: Gisela und Horst Gutsche. Zwei wache, kluge Zeitzeugen – beide 89 Jahre alt. Ihre Rückmeldungen berühren mich besonders tief:
Gisela sagte:
„Manche Menschen mieden unsere Bäckerei in Dresden, weil meine Mutter die Kunden mit Guten Tag grüßte – und nicht mit Heil Hitler.“
Horst meinte – ehrlich erschüttert:
„Mit welchem rasanten Tempo ein Gesellschaftssystem abgelöst werden kann, einfach kippt – das begreife ich bis heute nicht.“
Solche Sätze bleiben. Weil sie aus Erfahrung sprechen. Auch andere Stimmen klingen nach. Christina schrieb mir:
„Chapeau für diese herausragende Veranstaltung. Es ist beängstigend, wie oft es auch heute wieder ähnlich aussieht – nur moderner.“
Eine Feuerwehrfrau aus Herzberg teilte bei Facebook:
„Ich fand es sehr bewegend und informativ – gerade, weil es hier stattgefunden hat. In unserem Umfeld. Die kluge Moderation, die Sprache der Bilder, die Musik – alles war so bedacht. Das hat mich sehr berührt.“
Anna Weiß aus Herzberg postete:
„Die Buchvorstellung war ein eindrucksvolles Erlebnis voller Gänsehautmomente. Ein berührendes Mahnmal für die Zukunft. Eindrucksvoll. Nachdenklich. Notwendig.“
Ein Herzberger schrieb uns seine Erinnerungen an die Herzberger Holocaustüberlebende Dora Sondtheim handschriftlich nieder – zehn Seiten. Und er steckte uns diesen Brief an diesem Abend zu. Eine Freundin schenkte mir einen Museumsbesuch. Eine andere eine Rose und ein Gespräch, das noch immer nachhallt.
Viele haben mitgeholfen. Ines und Regina am Einlass. Mein Mann Ulf und unser Freund Stefan an der Bar. Meine Tochter Capella in der Vorbereitung, Organisation, Nacharbeit.
Dieses Projekt lebt von Menschen, die bereit sind, etwas zu tun –
für andere, für die Erinnerung, für das Miteinander. Und das rührt mich zutiefst.
Mit diesem Rückenwind machen wir weiter. Zwei Veranstaltungen folgen. Und wir gehen sie an – mit einem guten Gefühl. Und mit dem festen Willen, weiter zu fragen.
Denn: Diese Filme gehören in die Schulen. Sie gehören in den Unterricht, in die Köpfe, in das Gespräch mit der jungen Generation. Nicht, weil sie neutral sind. Sondern gerade weil sie es nicht sind. Weil sie zeigen, wie Bilder verführen. Und wie schnell aus Zustimmung Unterwerfung wird. Wir müssen mit den Kids reden.
Über Unfreiheit. Über Diktatur. Über Angst – und Verführung. Und ja: Wir haben das Material. Wir haben bewegte Bilder – aber vor allem: bewegende Bilder. Danke an alle, die diesen Abend möglich gemacht haben. Darunter die Stadt Herzberg und der Landkreis Elbe-Elster immer mit dem Signal: Wer etwas macht, steht nicht allein da.
Danke, dass Sie da waren. Danke, dass Sie mit uns gesehen, gehört, gefühlt – und nicht weggesehen haben. Wir bleiben dran.
Stephanie Kammer
WEITERE PRÄSENTATIONEN
16. September I 19 Uhr I Schützenhaus Jessen I Eintritt 5 Euro (Abendkasse)
6. Oktober I 19 Uhr I Aula OSZ/Ber. Gymnasium Falkenberg m. Landrat Christian Jaschinski I Eintritt 5 Euro (Abendkasse)
DANKE an die Sparkassenstiftung Zukunft Elbe-Elster-Land und an den Landkreis Elbe-Elster, die im Rahmen der Kulturförderung kontinuierlich unterstützen. Die Stadt Herzberg stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung. Herzlichen Dank!