Zur Person

Meine Arbeit macht Freude und Freude bewegt was

Cathleen Bacher blickt auf sechs Monate Heimleitung zurück 


Herzberg. Auf dem Hof der einstigen Clajus-Schule zuckeln zwei Kinder dem Unterrichtsbeginn entgegen. Sie gehen Richtung Elsterland-Grundschule. Ein kleines Mädchen trägt stolz Schulranzen und Sporttasche. Ich erkenne beides mit einem Blick. Vor Monaten gingen die mit Elfen verzierten Taschen zusammen mit anderen gebrauchten nützlichen Dingen als Spende an das Flüchtlingsheim. Cathleen Bacher, die frisch gebackene Heimleiterin, traf ich damals wohl zum ersten Mal.

Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Zeit, Bilanz zu ziehen. Zeit, die Anfänge mit dem Blick von heute zu reflektieren. „Im September 2015 kam ich über den Kontakt zu Ulrike Ofner zur damaligen Helfer-Gruppe, die sich bis heute jeden Mittwoch trifft. Und eine Woche später startete ich mit wöchentlichem Deutschunterricht im Heim Falkenberger Straße“, beschreibt die 37-Jährige ihren Einstieg in die Flüchtlingshilfe. „Ich wusste, diese zwei Stunden Ehrenamt pro Woche kann ich aufbringen. Und, was ich durch die Sprachvermittlung an Zuspruch und Anerkennung zurückbekam, hat mich mehr als zufrieden gemacht“, fügt sie hinzu. Viele wertvolle Begegnungen gehören in diese Wochen und Monate, zum Bespiel die mit Robert Günther, Leiter des Heims, oder mit Jens Dörschmann vom Internationalen Bund.

 

Im Dezember stand die Eröffnung des neuen Heims in der Leipziger Straße bevor. Es wurden Mitarbeiter gesucht. Cathleen Bacher überlegte nicht lang. Schon immer waren es soziale Aufgaben, für die sie sich stark gemacht hat. Nach dem Bauingenieurstudium in Potsdam ging sie jobben und studierte nebenbei Berufspädagogik. Eine Doppelbelastung, die sie in Kauf nahm. Schließlich wurde der Studiengang kurz vor der heißen Phase, der Diplomprüfung, eingestellt. Cathleen Bacher reagierte mit einem Richtungswechsel. Sie zog nach Berlin um und arbeitete freiberuflich in der Baubranche. Doch der Wunsch, mit Menschen zu arbeiten, ließ sie nicht los. Auch, nachdem sie nach Herzberg in eine Festanstellung wechselte, nicht. Plötzlich ging alles sehr schnell. Die Trägerschaft des Heims übernahm der Internationale Bund. Stellen wurden ausgeschrieben - ein flotter Bewerbungsablauf, noch während des Resturlaubes aus der früheren Anstellung stieg Cathleen Bacher hauptberuflich in die Flüchtlingsarbeit als Heimleiterin ein.

„Nach der Eröffnung des Heims landeten in kürzester Zeit 89 Menschen hier, die ganz frisch nach Deutschland gekommen waren. Und auch die Besatzung des Heims war mehr als frisch. Wir begannen unsere Arbeit im hochtourigen Bereich, ohne warm gelaufen zu sein“, schmunzelt die junge Frau. Im Vordergrund standen organisatorische Abläufe. Strukturen mussten geschaffen, Regeln für die gemeinschaftliche Unterbringung aufgestellt und kommuniziert werden. 

 

 

  Übersetzungen nahmen viel Raum ein, Abläufe im Heimbetrieb wurden überdacht, angepasst und erneut geordnet. Die soziale Betreuung lief parallel. Es wurde gleichzeitig gedreht und geschraubt. Eine Zeit intensiven Lernens: „Die Informationskultur ist von Land zu Land anders. Wir begriffen, dass eigentlich nur die mündliche Kommunikation gut funktioniert. Bei Zusammenkünften lief es ähnlich. Teilnehmer kamen, wenn wir sie eingesammelt oder abgeholt hatten bis sich irgendwann eine erste Routine einstellte.“ 

Hauptsächlich Englisch dient ihr zur Verständigung mit den Heimbewohnern. Hinzu kommen Schlüsselbegriffe aus dem Arabischen und Aufforderungen in einfachstem Deutsch. „Wir arbeiten daran, deutsche Strukturen für die Zuwanderer zu öffnen und machen klar, welch hoher Stellenwert eine verbindliche Zeitplanung in Deutschland hat.

Zwei Engagierte vom Bundesfreiwilligendienst und eine Hand voll ehrenamtlicher Sprachlehrer vermitteln zusätzlich erste Deutschkenntnisse und praktisches Wissen über unser Land. Zusammen genommen ist es das erste Rüstzeug für den Neuanfang in der Fremde“, erklärt Cathleen Bacher ohne Luft zu holen. 

Dabei könnte einem doch schon mal die Kraft ausgehen oder? „Das Zusammenleben funktioniert. Nur manchmal hält der Alltag an“, werden die Worte der Sozialarbeiterin etwas leiser. Wenn ein Flüchtling einen Anruf von Zuhause bekommt, zusammensinkt und kollabiert, weil sein Haus bei einem Bombenangriff zerstört wurde und Familienmitglieder getötet worden sind. Wenn die Menschen sich manchmal etwas öffnen und von ihren erlebten Gewalterfahrungen wie Folter, aber auch der Angst vor Verfolgung erzählen. Dann kämpft die aus Rathenow stammende Frau um Zuversicht und Halt. Dann fragt sie sich, warum noch immer so wenige Einheimische bereit sind, ihr Herz zu öffnen. Warum viele noch nicht verstanden haben, dass Veränderungen auf uns zurollen, und dass wir unterstützend und mit klaren Regeln darauf reagieren müssen.

 

Nicht nur in der Politik und in den Ämtern, sondern überall. „Meine Arbeit macht mir Freude und Freude bewegt was. Das ist eine Chance für mich und für uns alle“, sagt die Powerfrau wieder mit fester Stimme. 

Stephanie Kammer

 

 


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