Appell an Polizei, Social-Media-Nutzende und Menschen aus Politik und Verwaltung
HERZBERG/ELBE ELSTER. 2024 ist ein besonderes Jahr für meinen Verlag und meine Buchhandlung BücherKammer – wir feiern unser zwanzigstes Geschäftsjahr. Dieser schöne Anlass hat mich dazu veranlasst, ein neues Veranstaltungsformat zu entwerfen: Eine Runde Tacheles – Gesprächsabende mit prominenten Köpfen unserer Zeit. Die Gesprächsreihe fand und findet während eines aufgeheizten Wahlkampfes statt, der Kommunal-, Europa- und noch anstehenden Landtagswahl in Brandenburg. Zugleich sorgten in den vergangenen Monaten Demonstrationen unterschiedlicher Lager für viele Spannungen in Herzberg. Unter diesen turbulenten Vorzeichen kam es auch zu Anfeindungen und Beschimpfungen gegenüber eingeladenen Gästen und mir als Veranstalterin.
Da die Auftrittsverträge Klauseln enthalten, in denen der Veranstaltende für die Sicherheit des Auftretenden Rechnung tragen muss, war mir oft sehr mulmig zumute. Nicht selten fühlte ich mich auf einsamem Posten. Für eine Zwei-Personen-Firma, wie die BücherKammer, ist es ein Kraftakt, Abendveranstaltungen mit 150-250 Gästen zu stemmen. Freunde, gute Bekannte und Familie helfen, wo ein größeres Team fehlt. Ohne deren Unterstützung wären diese Abende gänzlich unmöglich. Ein Entgegenkommen der Städte Herzberg und Schlieben bei den Raumnutzungskosten half und soll nicht verschwiegen werden. Um jedoch weiterhin solche Veranstaltungen, die fast immer knapp oberhalb oder knapp unterhalb der Kostendeckungsgrenze rangieren, durchführen zu können, ist allerdings mehr Support nötig. Hier sind verschiedene Akteure gefragt:
Polizei: Eine erhöhte Präsenz an Veranstaltungstagen könnte helfen, die Sicherheit der Teilnehmenden und Gäste zu gewährleisten und ein Zeichen gegen Anfeindungen und Bedrohungen zu setzen.
Das Wissen, dass im Ernstfall in Finsterwalde ein Polizeiauto losfahren würde, vermittelt keineswegs ein Gefühl von echtem Schutz.
Social-Media-Nutzer: Es ist wichtig, dass alle, die soziale Medien nutzen, mehr Verantwortung übernehmen und sich gegen die Verrohung des Tons und gegen den Einfluss radikaler Stimmen dort stellen. Ein respektvoller und konstruktiver Umgangston im Netz ist unerlässlich.
Kommunale Entscheidungsträger: Ihre Anwesenheit bei Events würde zeigen, dass Initiativen der freien Kulturszene, wie unsere, gewünscht und geschätzt sind. Es wäre ein starkes Signal, wenn lokale Politiker und Amtsinhaber Präsenz zeigten und damit eine glaubhafte Wertschätzung für bürgerliches Engagement zum Ausdruck bringen würden.
An echtem Zusammenhalt gegen die derzeitigen Radikalisierungstendenzen fehlt es nach wie vor.
Die letzten zwanzig Jahre waren für mich geprägt von wirklicher Kulturleidenschaft und der festen Überzeugung, dass eine lebendige Veranstaltungslandschaft unsere Region aufwertet und unser Miteinander bereichert. Um dies auch in Zukunft fortführen zu können, brauchen wir mehr Unterstützung in Sicherheitsfragen und auf ideeller, zwischenmenschlicher Ebene.
Denn nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass weiterhin Orte des Austausches und mit ihnen Ideenlabore und Kulturliebhaber-Netzwerke überleben.
Kultur stärkt die Region und unsere offene Gesellschaft. Daran glaubten wir in den vergangene zwanzig Jahren. Ob das künftig glücken wird, hängt nicht unwesentlich von einer hoffentlich breiter werdenden Unterstützung ab.
Stephanie Kammer