„Unsere Helden waren normale Menschen wie du und ich“

Bernd Wille über DDR-Verlierer, Erinnerung und ganz gewöhnliche Helden


Bernd Wille stellt am 24. Februar um 19 Uhr sein neues Buch in der BücherKammer vor.
Bernd Wille stellt am 24. Februar um 19 Uhr sein neues Buch in der BücherKammer vor.

Beyern/ Herzberg. Wer den Bauplaner aus Beyern kennt, weiß, dass er unverblümt und schonungslos ehrlich seine Meinung sagt. Er gilt als kantig, klug und konsequent. Seinem Motto „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ blieb er treu.  Er erlebte den Aufstieg und Fall der DDR hautnah mit. Als Technischer Leiter der LPG „Frieden“ Beyern stellte sich der studierte Diplom-Ingenieur kreativ und unkonventionell den Problemen der staatlich verwalteten Mangelwirtschaft. Dass er sich dabei nicht nur Freunde machte, gehört auch zu seiner Geschichte. Soeben erschien sein Buch "Auch Verlierer haben Helden". 

 

Herr Wille, Sie haben in relativ kurzer Zeit Ihr Leben in der DDR zu Papier gebracht. Was hat Sie dazu bewegt?

 

Bernd Wille: Zum einen hätte ich mir gewünscht, dass mein Vater das Gleiche für mich und meine Geschwister gemacht hätte. Dass er sein bewegtes Leben und seine Sicht darauf festgehalten hätte. Ich fand von ihm auf dem Dachboden handgeschriebene Liebesgedichte und Zeichnungen. Er wäre dazu in der Lage gewesen zu schreiben, aber er hat es versäumt. Genau das wollte ich nicht. Der persönliche Blick des Einzelnen, des unmittelbar Beteiligten, ist authentisch und echt. Deshalb wollte ich meine Erfahrungen aus 40 Jahren DDR aufschreiben.

 

Über die DDR gibt es unzählige Bücher unterschiedlichster Art. Das Material im Netz dazu ist erschlagend umfangreich. Braucht die Welt noch ein Buch zur jüngsten deutschen Geschichte?

 

Bernd Wille: Was wir brauchen, ist die Stimme der Ostdeutschen selbst. Ich habe etwas gegen den Blick von außen. Sehr häufig wird die DDR auf Stasi, Verfolgung und die Einflussnahme der Sowjets reduziert. Die Perspektive des Beteiligten ist oft eine komplett andere. Die DDR ist untergegangen, und was wir im Zuge der Wende-Euphorie aufgegeben und verloren haben, wurde uns erst später klar. Es war eine Art kollektive Selbstaufgabe. Unsere Identität blieb auf der Strecke. Unsere eigene Geschichte zu deuten, haben wir häufig Westdeutschen und den Medien überlassen. Das war ein Fehler. Genau deshalb wollte ich meine Erinnerungen als ein Mosaikstein der Geschichtsaufarbeitung liefern.

 

Können Sie etwas konkreter ihre persönliche Perspektive auf einige DDR-Erfahrungen umschreiben?

 

Bernd Wille: Ein Beispiel aus Beyern. Der Bau der Mehrzweckhalle wurde rein ehrenamtlich gestemmt. Unter größten Beschaffungsproblemen für Baumaterial haben unzählige Leute mit zugepackt und heldenhaft gearbeitet. In ihrer Freizeit! Ohne Vergütung! Versuchen Sie solch ein Riesenprojekt heute in einem Dorf so umzusetzen. Das wird nicht gelingen. Sich in die Gemeinschaft einzubringen, dafür massenhaft Zeit, Kraft und Geist einzusetzen, das war damals normal. Das waren unsere Helden, ganz normale Menschen wie du und ich. Sie haben eine Lebensleistung erbracht, die in den vergangenen dreißig Jahren kaum eine Rolle gespielt hat und die oft reduziert worden ist in ihrem gesellschaftlichen Wert. Die Ideologie, die in der Erinnerungskultur zur DDR nicht selten überhöht dargestellt wird, spielte im Alltäglichen oft eine geringere Rolle. Anstatt selbstbewusst mit unserer Vergangenheit und Herkunft umzugehen, haben wir sie weggeschmissen. Das ärgert mich bis heute.

 

Wie entkommt man diesem Dilemma in Ihren Augen?

 

Bernd Wille: Indem man sich dem Thema stellt. Das sollten mehr Menschen machen, damit es irgendwann einmal ein wirklichkeitsnahes Bild ergibt. Auch die Behörden sollten umdenken und dafür muss sich jeder einsetzen. Ein Beispiel: Wenn ich von der Rentenstelle ein Schreiben bekomme, in dem mir die Zeit auf der Bezirksparteischule aberkannt wird, dann ist das eine Art Diskriminierung. In meinem Fall bin ich dort nicht ganz freiwillig gelandet. Unmittelbar danach, 1986, bin ich in Ungnade gefallen wegen mangelnder Linientreue und wurde abgesägt, wie man so sagt. Ich hatte diesem Bescheid widersprochen und der Rentenstelle geantwortet, dass eine solche Behördenentscheidung zeigt, dass die Lehrinhalte auf der Parteischule im Nachgang betrachtet gar nicht so verkehrt waren. Postwendend wurde der Bescheid korrigiert und mir das Jahr auf der Parteischule als rentenrelevant zuerkannt.

 

Welche Reaktionen erhalten Sie von Lesern Ihres Buches, die nicht aus Ostdeutschland kommen?

 

Bernd Wille: Mein Geschäftspartner Friedhelm Widmann aus Neuenstadt am Kocher in Baden-Württemberg hat das Buch von mir zu Weihnachten bekommen. Er hat es objektiver und neutraler wahrgenommen, als ich es erwartet hatte. Schließlich hat er darum gebeten, dass wir bei seinem nächsten Besuch hier ein paar Originalschauplätze aus dem Buch gemeinsam besuchen.

Mir ist wichtig, dass ich mit meinen Erinnerungen nur einen Blickwinkel auf die DDR ergänze. Ich beanspruche keineswegs Allgemeingültigkeit. Aber ich verschaffe mir Gehör. Das würde uns allen im Osten guttun.

 

Vielen Dank für dieses Gespräch!  

 

HIER GEHT ES ZUM SHOP