Mutter Noacks Tabak rettete ihm den Kragen

BÜCHERKAMMER Adventskalender Türchen Nr. 13 I Nicht selten  werden Unglück und Strafe zur glücklichen Fügung


Der Tabakladen von Noacks befand sich in der Rosa-Luxemburg Straße in Herzberg
Der Tabakladen von Noacks befand sich in der Rosa-Luxemburg Straße in Herzberg
Manfred Noack
Manfred Noack

GEWAGTE HEIMKEHR. Ein Herzberger Lehrer namens Manfred Noack unterrichtete in den Fünfzigern an der Oberschule. Sein Abitur und die Lehrerausbildung fielen in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, beides in Schnellbesohler-Manier, um schließlich 1942 an die Ostfront geschickt zu werden. Verwundet kehrte Noack im Winter 1945 zurück nach Halle in ein Lazarett und schließlich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Mit gefälschten Entlassungspapieren gelang ihm die Flucht nach Herzberg, zurück zur Mutter, die allein und in tiefer Sorge um den Sohn war. Sie hatte sich mit ihrem Tabakgeschäft mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Noack lief Gefahr als ehemaliger Wehrmachtsangehöriger postwendend in sowjetische Gefangenschaft zu gehen. Er meldete sich dennoch in der Kommandantur bei der sowjetischen Administration und legte seinen Weg und seine Herkunft offen. Er rechnete mit dem Schlimmsten. Nichts passierte. Warum? 

Rosa-Luxemburg-Straße (Ilse Runge)
Rosa-Luxemburg-Straße (Ilse Runge)

Mutter Noack war 1944 per Strafbefehl zur Zahlung von 300 Reichsmarkt (das entspricht  gut und gerne mehr als 1.000 Euro) verdonnert worden, weil sie einem russischen Zwangsarbeiter aus Mitleid zu Tabak verholfen hatte. Die Strafe, die die Frau seinerzeit finanziell fast in den Ruin trieb, ersparte dem Sohn gut ein Jahr später russische Kriegsgefangenschaft bzw. Lagerinhaftierung, da den sowjetischen Behörden dieser Fall nicht entgangen war. In Lehrer Noacks Fall retteten also Tabak und das Rauchen Leben oder zumindest wertvolle Lebenszeit.

An die Geschichte von Manfred Noack wird im neuen Heimatkalender erinnert. Er war 1958 nach Westdeutschland gegangen, wurde 2000 Mitglied im Heimatverein der Stadt und hatte Herzberg bis zu seinem Lebensende 2018 aus der Ferne die Treue gehalten.

Stephanie Kammer