Schlieben war seine große Liebe

Heimatforscher Hans-Dieter Lehmann verstorben/ Trauer im Amt und unter Freunden

Unvergessen - das bübische Lächeln von HDL


Schlieben. Dreizehn Uhr bei Erika Großmann in Schlieben: Kaffeeduft und fröhliches Geschnatter dringen zu dieser Zeit gewöhnlich aus ihrem Wohnzimmer. Doch es bleibt still. Vor dem Amtsgebäude von Schlieben gehen Menschen mit gesenktem Blick vorüber. Ein zeitiger Herbstwind treibt die auf Halbmast gehissten Flaggen unruhig hin und her. Amtsleiter Andreas Polz fehlen die Worte, denn Hans-Dieter Lehmann ist am vergangenen Donnerstag gestorben. Die Stille, die das Schliebener Land erfasst hat, ist erdrückend schwer. Die leidenschaftlichste Stimme der Schliebener Regionalgeschichte schweigt von nun an - im Wohnzimmer von Erika Großmann und auch im Sitzungssaal des Amtes Schliebens.

Noch vor gut zwei Wochen bat Hans-Dieter Lehmann um ein Gespräch. Ein geplanter Krankenhausaufenthalt stehe an, das Manuskript vom „Schwarzbuch“, das all jene Geschichten erzählt, die nie Eingang in die hiesigen Regionalgeschichtsbücher gefunden hatten, habe er in letzter Sekunde fertig geschrieben. „Sie wissen ja, Anja Riediger und Marina Kohl haben fleißig alles abgetippt“, informierte er. Er sprach in den vergangenen Jahren häufig vom Sterben, jedoch immer mit reichlich Humor ummantelt, sodass seine Worte - „Lassen Sie bitte ein bisschen Platz für meine Sterbeanzeige im Heimatkalender“ den bübischen Schalk Lehmann mit seinem ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor fröhlich auftrumpfen ließ.

Wie wohltuend zu wissen, dass er bis in seine letzten Lebenstage hinein mit dem beschäftigt war, was er liebte: mit der Geschichte seiner Heimat. Mit Menschen, die dieses Steckenpferd teilen. Die ihn schätzten und sein Wissen und seinen Rat mit Gold aufwogen. Die Schreib- und Forschungstätigkeit von Hans-Dieter Lehmann hat dabei nach mehr als dreißig Jahren einen Umfang angenommen, der beispiellos ist. Mehr als 300 Artikel im Schliebener Amtsblatt zählen dazu, das dicke Heimatkundliche Lesebuch des Amtes Schlieben, drei Presseschauen, etliche Gedichtbände, unzählige Heimatkalenderbeiträge und zuletzt ein Buch über die Vergangenheit seines Heimatortes Lebusa, das er anlässlich seines 80. Geburtstages am 31. Oktober vergangenen Jahres der Gemeinde widmete. Seine Arbeit im Freundeskreis Zliuuini war ein wichtiger Ankerpunkt für Dr. Gert Wille und dessen Mitstreiter. Gemeinsam stemmten die Heimatfreunde neben unzähligen regionalen Forschungen Mammutprojekte, wie das Zusammentragen von Biografien verdienter Schliebener.

Die Mitglieder des Freundeskreises ahnten, was jetzt Realität geworden ist: Die Lücke, die durch den Tod von Hans-Dieter Lehmann entsteht, ist nicht zu schließen. Seine Produktivität, sein Wissen und sein Erzähltalent haben in Schlieben selbst Geschichte geschrieben. Sein innerer Motor war eine seltene, unermüdliche Liebe für die Menschen Schliebens und für deren Lebenswege egal zu welchen Zeiten. Nie kamen dabei verurteilende Töne zu Tage, stattdessen öffnete er Türen für mehr Verständnis und Miteinander, um Vergangenes mit Geist und Herz zu begreifen. Dass er damit den Weg ebnete für viel Gutes, das in der Zukunft liegt, sofern man geschichtsbewusst die Gegenwart durchquert, wusste Lehmann nur zu gut. Sein Kürzel HDL, das in gesprochener wie auch in gedruckter Form, mindestens genauso viel galt, wie ein amtliches Siegel, wird lange in Erinnerung bleiben. Ebenso seine Freude und sein bübisches Lächeln, wenn er die Schliebener mit seinen Erzählungen zum Lachen bringen konnte. Zu Lebzeiten hat der Lehrer, Sportkamerad, Forscher, Fotograf, Stadtführer, Autor und Freund Hans-Dieter Lehmann alles richtig gemacht. Und auch die kommende stille Zeit ohne ihn hat er mitgeprägt: Wir lesen auch noch künftig von ihm und zehren von einem beispiellos großen Wissen, das er für die Nachkommenden festgehalten hat. Dass ein solch besonderer Mensch einen Orden verdient hat – mindestens den ihm 1998 verliehenen Bundesverdienstorden des Bundesverdienstkreuzes - ist selbstredend. Bewahren wir HDL dort auf, wo er sich immer wohl gefühlt hat: in unseren Herzen!

 

Stephanie Kammer