Coronavirus - Gedanken nicht Amok laufen lassen

Sandra Schurbert aus Mahdel berichtet, wie sich ihr Alltag im stillgelegten Peking verändert hat

Frische Luft tanken auf den leeren Straßen Pekings. Die Töchter von Sandra Schurbert genießen die entschleunigte Zeit zuhause. 

Mahdel/ Peking. Es ist inzwischen mehr als zwanzig Jahre her, dass Sandra Schurbert ihr Heimatdorf Mahdel hinter sich gelassen hat. Über den Schwarzwald ging es nach Kanada, Berlin, Paris und Amsterdam. Sie lernte Sprachen, das Hotel- und Reisegewerbe und Menschen kennen. Darunter auch ihren heutigen Mann Ben, einen Diplomaten. Zusammen mit ihm ging sie im vergangenen Sommer nach Peking. China wuchs ihr ans Herz. Mitte Januar änderte sich ihr Alltag komplett: Das Corona-Virus war in aller Munde. Das öffentliche Leben in Peking ist seitdem durch staatliche Eindämmungsmaßnahmen stillgelegt. Was die junge Frau aus Elbe-Elster dort derzeit erlebt, berichtet sie der RUNDSCHAU.

„Am schwierigsten ist es, die Umgebung zu ertragen“, erzählt die Mutter von zwei kleinen Töchtern, vier und sechs Jahre alt. „Man hat den Eindruck, in einem verstrahlten Gebiet zu leben: das Tragen von Masken,  Fiebermessungen am Eingang des Supermarktes oder in unserer Residenz, keine Besuche, leere Straßen in einer quirligen Millionenstadt, in der vor allem die Zukunft zu Hause ist“, ist Sandra Schurbert noch immer tief berührt von den plötzlichen Veränderungen.

 

„Wir waren angekommen, fingen an unser Leben zu genießen. Machten Ausflüge, trafen uns mit Freunden und Bekannten. Wir entdeckten die Kultur, das Essen, die Gerüche, die Sprache, die chinesische Medizin und schlagartig ist alles anders“, fährt sie fort. Die chinesische Regierung hat auch in der Hauptstadt mit drastischen Eindämmungsmaßnahmen reagiert, um eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus` aufzuhalten. Die Urlaubszeit anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes am 24. Januar wurde um gut zwei Wochen verlängert. An Bus, U-Bahn-Stationen, Supermärkten und Hauseingängen stehen Temperaturmessgeräte, wer eine höhere Temperatur als 37,3 Grad Celsius hat, muss sich in Klinken melden. Einkaufszentren, Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels haben vielfach geschlossen. Taxis und öffentliche Verkehrsmittel sind nur mit besonderer Genehmigung unterwegs. Niemand soll die Stadt unnötig verlassen oder besuchen. Schulen, Kitas und Universitäten bleiben bis zum 17. Februar geschlossen. 

In kürzester Zeit wurde der Schulunterricht in Peking auf eLearning zuhause umgestellt. Zur Freude der Kinder, die gern auch mal im Schlafanzug Englisch und Chinesisch büffeln.    

„Wichtig ist es, die Gedanken nicht Amok laufen zu lassen“, zeigt sich Sandra Schurbert zuversichtlich und gelassen. „Die Behörden haben schnell und unbürokratisch reagiert. Das kennen wir aus Europa anders“, schmunzelt sie. Für die Kinder ist längst ein funktionierendes eLearning eingerichtet. Ihre beiden Mädchen, vier und sechs Jahre alt, genießen die Zeit zu Hause und die verordnete Ruhe.  „Nun habe ich schon eine gute Woche Schule zuhause hinter mir und es hat Spaß gemacht. Ich staune, wieviel meine beiden Mädels schon gelernt haben. Über Apps, Videos und Audiomitschnitte wird der Kontakt zu den Lehrern gehalten. Bei Freunden helfen die Omas aus Frankreich bei den Aufgaben durch private Audio- und Videokonferenzen“, staunt die technikaffine Hotelfachfrau über die flotte Umstellung auf alternative Unterrichtsformen. „Die Kids sind voll dabei und fröhlich. Sie genießen es, auch mal im Schlafanzug und ungekämmt unterrichtet zu werden“, schaut sie bewusst auf die positiven Aspekte ihres veränderten Alltags. Klar, haben viele Bekannte China verlassen. Die Versorgung klappe jedoch, ist den Umständen angepasst, falle lediglich bescheidener aus. Trotz aller Turbulenzen steigt so etwas wie Stolz auf die neue Heimat im Inneren der jungen Frau auf. „Mich beeindruckt, wie die chinesischen Behörden es schaffen, in kürzester Zeit 56 Millionen Menschen im Hauptstadtgebiet unter eine Art Vor-Quarantäne zu setzen. Die digitalen Möglichkeiten unserer Zeit werden dabei effektiv genutzt“, führt sie weiter aus. 

Aufklärungsmaterial für Kinder, wie es in China zurzeit verbreitet wird. 

 

 

 

 

Beherzt und vorsichtig nimmt Sandra Schurbert die Ausnahmesituation an. „Wir gehen raus an die Luft, maskiert. Sind oft auf dem Balkon und spielen. Täglich kochen wir, backen, tanzen und basteln. Ich sehe es als Chance zu entschleunigen“, zeichnet Sandra Schurbert ein hoffnungsvolles Bild.

 

Die Mahdlerin bekennt sich zu ihrer neuen Heimat so auf ganz besondere Weise. Sie nimmt sie an und lässt sich ihren Optimismus nicht rauben. Weder von einem Virus noch von beängstigenden Eindämmungsmaßnahmen, die bei manchem Zeitgenossen durchaus die Gedanken Amok laufen lassen.   

 

Stephanie Kammer