Die Sandale


Eine exklusive Geschichte aus dem neuen Heimatkalender 2020

Es ist schon einige Jahre her, da kam ich an einem Dienstagmorgen vom 24-Stunden-Dienst. Bevor ich nach Hause fuhr, hielt ich bei der Bäckerei Bubner, damals in der Schliebener Straße, an, um für meine Familie Brötchen zu kaufen. Als ich mein Fahrrad abstellte, sah ich im Rinnstein der neu sanierten Straße in Höhe Schuhladen Colani eine neue Sandale liegen. Das Preisschild klebte noch daran und ich dachte mir: „Wahrscheinlich ist die Sandale aus einem Fahrradkorb gehopst – bei dem Straßenpflaster!“ Also hob ich sie auf und legte sie auf die Schaufensterbank.

Am nächsten Tag war ich wieder Brötchen holen. Da sah ich die Sandale noch immer auf der Fensterbank liegen.

Auch als ich am Donnerstag zum 24-Stunden-Dienst fuhr, lag die Sandale unverändert auf der Fensterbank. Ich wunderte mich schon, dass sich scheinbar niemand dafür interessierte – weder die Dame, die sie verloren haben musste, noch die Verkäuferinnen.

Freitag, der Dienst war zu Ende, fuhr ich neuerlich zur Bäckerei, um Brot und Brötchen zu kaufen. Dreimal darf man raten, wer lag auf der Fensterbank? Richtig, die Sandale. Die Sandale (weiblich) tat mir, der ja die Frauen liebt und schätzt, doch schon sehr leid. Sie lag da und niemand schien sich für sie zu interessieren.

 

Ein Wochenende mit frischen Brötchen zu beginnen ist immer richtig. Ich am Samstag also zu Bubner und wen sah ich? Die Sandale.

Durch geschäftliches Geschick gab es für uns Herzberger auch am Sonntag frische Brötchen, so auch bei uns Wegners. Die Sandale lag auch noch da. In Herzberg kommt nichts weg!

Nach dem sonntäglichen Frühstück bat mich meine Frau, bei Irmgard Straach Eier zu holen.

Als ich so bei Straachs saß und wir etwas plauderten, fragte mich Irmgard, ob meine Frau Andrea ihre Sandale wiedergefunden hätte. Zeitgleich erschrak sie über das Gefragte, weil es wahrscheinlich geheim bleiben sollte. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich kein Mann bin, der seiner Frau etwas vorrechnet! Jedenfalls machte ich mich gleich auf den Weg zu Colanis Schuhhaus, weil ich ja wusste, dass die Sandale noch auf der Fensterbank lag.

Ich nahm die Sandale an mich und fuhr nach Hause. Dort legte ich sie auf den Küchentisch und sagte zu meiner Andrea, dass ich die Sandale gefunden hätte. „Wenn man dir mal ein Bein abschneiden muss, wegen Diabetes o.ä., brauchst du eh nur noch einen Schuh.” – „Du Doofer, die hast du aus den Müllkorb.”

Sie hatte nämlich keine Hoffnung mehr, die verloren gegangene Sandale wiederzufinden. Meine Abwesenheit hatte sie genutzt, um ihre Sandale wegzuwerfen.

Ich erzählte ihr nun meine Wochengeschichte und wir mussten beide herzhaft lachen.

Die Sandalen hatten sich auch wieder als Paar gefunden und wenn sie nicht verschlissen sind, dann laufen sie noch heute.

Sylvius Wegner 

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