Christian Poser verrät, wie Jimi Hendrix, Verstopfung und verlorene Damenschuhe zusammenpassen
Der neue Heimatkalender für die Region Herzberg hat witzige Stories und wohldosierte Geschichte im Gepäck. Kalendermann Christian Poser verrät die Zutaten des 2020er Jahrbuches: kurze kernige Beiträge, Geschichte im alltagstauglichen Format und ganz viel Menschsein. Darüber hinaus plaudert er über seine Arbeit als Kalendermann und wie er sein Lieblingskind durch die Gegenwart in eine kunterbunte Zukunft retten möchte.
Herr Poser, seit nunmehr sechs Jahren haben Sie in der Redaktion des Heimatkalenders den Hut auf. Was sind Ihre Aufgaben?
Den Hut aufzuhaben bedeutet, alles unter einen Hut zu bringen. Das Wichtigste bei meiner Arbeit als Kalendermann ist, Menschen zum Aufschreiben von Geschichte und Geschichten zu motivieren. Wir stellen im Heimatkalender eine kunterbunte Melange aus Artikeln zusammen, die sich um Alltagsthemen und Erfahrungen einzelner Menschen oder Gruppen bis hin zu Ereignisgeschichte und Naturkunde drehen. Geübte Schreiber liefern Artikel und auch der- oder diejenige, die noch nie veröffentlicht hat. Das macht die Zusammenarbeit so abwechslungsreich und immer wieder neu.
Geht es dabei schwerpunktmäßig um Geschichte und Vergangenes?
Zum Teil. Das, was uns tagtäglich umtreibt im Hier und Jetzt gehört ganz klar genauso in den Kalender. Unterhaltung, originelle Ideen und Witz sind die Schmierstoffe, die unsere geschichtlichen und regionalen Inhalte brauchen, um gelesen zu werden. Ich sehe den Kalender als eine Art Garderobenspiegel der Gesellschaft. Man kann aus verschiedensten Perspektiven zurückschauen oder auch brandheiße aktuelle Themen in den Fokus nehmen. Seit zwei Jahren geben wir kein Schwerpunktthema mehr vor. Wir möchten auf unsere Autoren zugehen und ihnen freie Hand lassen. Oft genug müssen wir den Umfang begrenzen. Ein Nachteil von Printprodukten. Zugleich ist es aber der Garant, dass ein Grundcharakter des Kalenders erhalten bleibt: kurz, kernig, knackig. Das wird am meisten und liebsten gelesen und entspricht traditionell auch der Kalenderliteratur, die mehr als hundert Jahre auf dem Buckel hat.
Verraten Sie etwas aus dem Inhalt des neuen Kalenders?
Ich hatte ja bereits gewarnt: eine explosive Mischung. Von den gottlosen Züllsdorfern in früheren Zeiten ist zu lesen, von Dresdener Sportler, die extra zum Westfernsehengucken nach Lebusa kamen, dazu die ganze Wahrheit über singende, klingende Genreserven aus Jeßnigk, Naturkunde pur über den gemeinen Feldhasen, ebenso ein Porträt über Jimi-Hendrix-Fans aus Buchhain und die erste freie Rosenmontagsrede vom legendären Karneval in Kolochau 1990. Das ist nur eine kleine Auswahl. Unsere Autoren haben sich alle Mühe gegeben, im Erinnerungslabor der Regionalgeschichte heiße Stoffe zu kredenzen.
Handelt es sich um einen festen Autorenstamm oder kann jeder auf Sie zukommen und seine Geschichte anbieten?
Selbstverständlich freuen wir uns über alle Schreiber, die an uns denken und uns ihre Texte und Fotos zur Verfügung stellen. Etliche Schreiber sind in fast jedem Kalender vertreten und liefern zu ihren Spezial- und Lieblingsthemen tolle Geschichten. Wichtig sind aber auch die Neuzugänge, denn sie ermöglichen uns den Sprung in die Zukunft. In diesem Jahr habe ich mich sehr gefreut über zwei besondere Neuentdeckungen: Viola Lehmann aus Herzberg hat Erzähltalent und schildert in den schillerndsten Farben, teils mundartlich, heute sehr witzig klingende Verstopfungsleiden aus ihrer Kindheit. Auch Sylvius Wegner, Herzberger Comedian und Lebensretter von Berufswegen, schrieb auf, wie er die verlorene Sandale seiner Gattin vor dem jähen Ende in einem städtischen Mülleimer bewahren konnte. Hier bringen Menschen wie du und ich andere zum Lachen, machen ihnen Freude und stiften sie an, sich selbst zu erinnern und dem eigenen Erlebten Bedeutung zu schenken. Hier zeigt sich etwas Wunderbares: Die Menschen sind unsere wichtigste Ressource. Was helfen uns grandiose Fundstücke und Sachquellen, wenn der Mensch fehlt, der andere dafür entflammt. Der ihnen den Blick für das Besondere, für Berührendes schenkt. Die Kunst des Erzählens ist genauso wichtig wie die Forschung selbst. Wer zu den Emotionen der Menschen vordringt, dessen Botschaft wird gehört. Deshalb verordnen wir unserem Heimatkalender ganz viel Menschsein und Frechsein. Das ist die Seele des Kalenders.
Bei der Heimatkalenderpräsentation am 13. November im Drandorfhof in Schlieben wollen Sie den Kalenderfreunden den Mund wässrig machen und den Charme des neuen Kalenders versprühen?
Ob der Kalender Charme besitzt, dürfen allein die Leser beurteilen. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, uns bei unseren Autoren, Unterstützern, Sponsoren, beim Landkreis und der Stadt Herzberg zu bedanken. Wir möchten ihnen einen schönen unterhaltsamen Abend bescheren. Sie zum Lachen bringen und sie mit kernig kantigem Gedankentreibstoff versorgen. Wir kommen in die Dörfer und umliegenden Orte, um zu zeigen, dass wir gern mit anderen zusammenarbeiten und ihre Geschichten schätzen. Ab 19 Uhr geht es los. Der Eintritt ist frei.
Christian Poser, wir danken für das gute Gespräch.