Fareeda Abdou macht sich mit den Arbeitsabläufen in der Herzberger Phoenixapotheke vertraut. Unterstützung kam von Apothekerin Ilka Kube.
Wie die syrische Kurdin Fareeda Abdou beruflich neu Fuß fasst
Herzberg. Derzeit beginnt für viele Flüchtlinge der berufliche Neueinstieg. Herzbergs Geschäftsinhaber, wie Apothekerin Ilka Kube, unterstützen das Vorankommen der Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt. Drei Monate lang absolvierte die aus Syrien stammende Fareeda Abdou ein Praktikum in der Phoenix-Apotheke in der Leipziger Straße. Fortgesetzt wird es nun in der Adler-Apotheke im Stadtzentrum. Diese ersten Berufserfahrungen fern der alten Heimat sind ein wichtiger Schritt, um eine Berufsanerkennung in Deutschland zu erhalten.
Fareeda Abdou besaß vor gut zwei Jahren noch eine eigene Apotheke mit vier Mitarbeiterinnen im Umland von Aleppo. Als 2012 der Krieg in Syrien begann, schien die Welt der heute 36-Jährigen Syrerin mit kurdischen Wurzeln noch heil. Ihr drittes Kind war gerade geboren. Auf dem Weg von der Klink nach Hause wurde das Familienauto an einer Straßenkontrolle des Militärs gestoppt. Nur wenige Meter entfernt wurde ein weiterer PKW angehalten, die Insassen weigerten sich aus zu steigen, ein Panzer erhielt ein Handzeichen von einem Sicherheitsmann und fuhr über den vollbesetzten Wagen. Fareeda Abdou und ihre Familie waren Augenzeugen dieser Hinrichtung. Die einst heile Welt war unwiderruflich zerstört.
2014 geriet ihr Mann, Zahnmediziner und Mitarbeiter im Gesundheitsamt des Aleppo-Distriktes, ins Visier von IS-Milizen, die Kurden gezielt verfolgen. Er wurde zusammengeschlagen, erpresst und aufgefordert zu verschwinden. Ein befreundeter Arabischlehrer war wenige Tage zuvor vor laufender Handykamera ermordet worden.
Der Weg quer über das Mittelmeer nach Europa erschien weniger lebensbedrohlich, als zu bleiben.
Fareeda Abdou brachte ihre zwei Töchter und den kleinen Sohn anderthalb Jahre selbst durch. Sie arbeitete und kümmerte sich um die Versorgung. Als ihr Heimatort von IS-Truppen belagert worden war, fehlte es an allem: Brot, Benzin, Strom, Telefonnetz. An Schulbetrieb war nicht zu denken. Dafür wurde die von den Kurden abgelehnte Verschleierung erzwungene Normalität.
Nachdem der Familiennachzug ins Rollen kam, ließ die beherzte Kurdin ihr Zuhause und die Apotheke zurück. Vier Monate harrte sie mit den Kindern im bombardierten Damaskus aus, um über Beirut im September 2015 nach Deutschland kommen zu können. Bereits einen Monat nach der Ankunft saß Fareeda Abdou im Integrationskurs der Volkshochschule Herzberg, die Kinder gingen zur Schule und in die Kita. Doch der Krieg zuhause geht weiter. Russische Flieger bombardieren den Norden des Landes, auch die Apotheke von Fareeda wird getroffen, viele Verwandte leiden unter Kriegseinwirkungen.
Trotz allem geht die studierte Apothekerin nicht mutlos durch die Welt. „Wir wünschen uns, schnellstmöglich arbeiten zu können. Wir gehen positiv durchs Leben und hören nicht auf zu lernen“, zeigt die junge Frau unerschütterlichen Optimismus.
Stephanie Kammer
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