Wie Bilder zu Waffen wurden – und Nachbarn zu Mittätern

ELSTERLAND. Dieses Buch ist die Arbeit von über zwei Jahren Recherche und sieben intensiven Schreibmonaten. Es ist mein Versuch, dem Schweigen der Geschichte Bilder und Worte entgegenzusetzen – Bilder, die einst verführten, und Worte, die heute zum Nachdenken bewegen sollen.
Am Anfang stand die Begegnung mit Dora Sondheim, einer alten Frau aus Herzberg, Holocaustüberlebende. Kurz vor ihrem Tod rief sie mich zu sich – wir kannten uns nicht. Sie legte mir in die Hände, was ihr Leben erzählt: Briefe, Listen, Fotos, amtliche Papiere. Darunter die „Einladung“ ihres Vaters ins KZ, die nur durch die Bombardierung Dresdens nicht zur Todesfalle wurde. Ich habe gesehen, wie die über 90-jährige Dame, vom Leben gezeichnete, mit einem Taschentuch ihr Nasenbluten abtupfte, beiläufig, als sei es unwichtig. Denn was sie mir gab, war ihr viel wichtiger. Es war Vertrauen – und ein stiller Auftrag: „Sprich darüber.“
Filmanalyse, Performance & Buchpräsentation
„Braune Schatten über dem Elsterland“
Alle drei Filme werden besprochen und gezeigt.
1. September 2025 I 19 Uhr I Bürgerzentrum Herzberg · Eintritt: 5 Euro (Abendkasse)
16. September I 19 Uhr I Schützenhaus Jessen I Eintritt 5 Euro (Abendkasse)
Ihre Geschichte war der Motor dafür: Drei NS-Propagandafilme aus Falkenberg, Herzberg und Jessen schlummerten vergessen im Filmarchiv. Ich entdeckte sie, und untersuchte sie von vorn bis hinten. Sie bilden den Kern meiner Analyse, die am 1. September als Buch erscheint. Sie zeigen Paraden, Appelle, Marschmusik – die Inszenierung einer „Volksgemeinschaft“, in der kein Platz für Minderheiten war. Die Nähe zu vertrauten Orten und Gesichtern machte diese Bilder so wirksam. Sie verführten nicht nur mit Angst, sondern mit Stolz und Zugehörigkeit. Das ist die gefährlichere Art der Verführung.
Warum das heute wichtig ist? Weil sich Geschichte wieder in unser Blickfeld drängt. Weil rechtsextreme Kräfte erstarken, Hassparolen wieder salonfähig werden, und autoritäre Führungsbilder im In- und Ausland bejubelt werden. Weil Bilder – ob auf Marktplätzen oder in sozialen Medien – immer noch Waffen sein können.
Ich wünsche mir, dass Schulen diese Filme im Unterricht besprechen. Dafür habe ich Handreichungen erstellt, die den Blick schärfen sollen. Wer die Sprache der Bilder versteht, lässt sich weniger leicht von ihr blenden.
Dieses Buch ist für Dora Sondheim. Für ihre Familie, die nicht zurückkehrte. Für alle, die wissen wollen, wie schnell Menschlichkeit zerbrechen kann. Und für alle, die begreifen, dass wir sie täglich verteidigen müssen – nicht nur mit Wissen, sondern mit Haltung.
„Es war schon schlimmer. Es kann wieder schlimmer werden. Jeder Einzelne kann etwas dagegen tun.“
Stephanie Kammer